Beschaffung

Die zentrale Aufgabe der Beschaffung bestand auch im Geschäftsjahr 2020 darin, die Bedarfe abzusichern und an der Erstellung wettbewerbsfähiger, innovativer Produkte sowie der Optimierung der Kostenstrukturen mitzuwirken. Darüber hinaus haben wir die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse weiter vorangetrieben.

Beschaffungsstrategie

Die Konzernstrategie TOGETHER 2025+ steht auch innerhalb der Beschaffung für mehr Geschwindigkeit, Fokus sowie Konsequenz und treibt den Wandel stärker voran. So stand das Jahr 2020 im Zeichen der Umsetzung der in der Beschaffungsstrategie erarbeiteten Konzepte. Im Rahmen eines gemeinsamen Zielsystems für die Konzern-Komponente und die Beschaffung wurden die wesentlichen Steuerungsgrößen der Beschaffung festgelegt. Neben den Material- und Investitionskostenzielen sowie einer termingerechten Vergabeabwicklung berücksichtigt das Zielsystem nun stärker Aspekte der Nachhaltigkeit in der Lieferkette.

Zielkostenansätze spielen eine zunehmend wichtigere Rolle in der Beschaffung. Sie ermöglichen die Transparenz der Kosten sowie das Beeinflussen von Konzepten in der frühen Phase der Produktentwicklung durch Orientierung an kalkulatorischen Potenzialen. Darüber hinaus bieten sie Ansätze für ein weltweites Benchmarking und den Austausch von Best Practices.

Um profitables Wachstum zu unterstützen und strategisch relevante und/oder versorgungskritische Hard- und Softwareumfänge abzusichern, wurde ein geschäftsbereichsübergreifendes, strategisches Wertschöpfungsmanagement implementiert. Der eingerichtete Ausschuss „Strategisches Wertschöpfungsmanagement“ entscheidet regelmäßig über strategische Grundsatzentscheidungen zur Eigenfertigung (Make), Beauftragung (Buy) oder Kooperationen inklusive Beteiligungsmodelle (Partner).

Der zunehmende Anteil an Softwareumfängen und die damit einhergehenden neuen Partner und Lieferanten erfordern Anpassungen in der Prozesskette und in den Vergabekriterien der Beschaffung. Der Ausschuss „Corporate Sourcing Committee Digital Car“ steuert wöchentlich die optimale Vergabe von Fahrzeug- und fahrzeugnahen Softwareumfängen.

Volkswagen FAST – Lieferantennetzwerk als Basis des Erfolgs

Mit der Initiative FAST (Future Automotive Supply Tracks) trägt die Konzernbeschaffung dazu bei, den Volkswagen Konzern und sein Lieferantennetzwerk kooperativ und zukunftssicher weiterzuentwickeln.

FAST ermöglicht beiden Seiten einen regelmäßigen Austausch, um für die zukünftigen Herausforderungen der Automobilbranche stark aufgestellt zu sein. Anhand festgelegter Kriterien wird den Lieferanten eine umfassende Bewertung des vergangenen Jahres offengelegt, sodass gemeinsam Optimierungen erarbeitet werden können. Kernthemen dieses Austauschs sind neben den bestehenden Lieferbeziehungen weiterhin strategische Abstimmungen zu Globalisierung und Innovation.

Im geschäftsbereichsübergreifenden Innovationsprozess werden FAST-Partner insofern priorisiert, dass sie die Möglichkeit erhalten, in den Strategie-Dialogen Vertretern aus Beschaffung und Technischer Entwicklung auf oberer Führungsebene Innovationen vorzustellen. Zu Innovationsveranstaltungen werden relevante FAST-Partner eingeladen, damit sie ihre Kompetenzen einbringen können. Im Berichtsjahr wurden infolge der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 – wenn möglich – digitale Kommunikationsmedien für das jährliche Treffen genutzt. Um auch in Zukunft alle Potenziale der Initiative FAST voll ausschöpfen zu können, wird das Programm laufend aktualisiert und weiterentwickelt.

Elektromobilität

Als zentrale Aufgabe der Beschaffung gilt es in Bezug auf die Elektromobilitätsoffensive, die weiterhin wachsenden Bedarfe der nächsten fünf bis zehn Jahre nachhaltig abzusichern und dabei die Kostenstrukturen zu optimieren.

Die Konzern-Beschaffung legt dabei besonderen Fokus auf die Themen Hochvolt-Batterie und E-Rohstoffe. Über Benchmarking und bedarfsgerechte Qualifizierung steigern wir in diesem Zusammenhang unsere Einkaufskompetenz.

Im Zuge der Auftragsvergaben an unsere Partner in Sachen Elektromobilität stellen wir Anforderungen bezüglich nachhaltiger Lieferantenquellen, transparenter und nachverfolgbarer Lieferströme sowie Energie- und CO2-optimierter Lieferketten. Weltweite Bedarfe aus den Märkten Europa, Amerika und Asien bündeln wir in Konzernvergaben mit dem Ziel der Kostenführerschaft bei Elektromobilitätslösungen. Dabei achten wir auf Diversifizierung in Verbindung mit Zweilieferantenstrategien sowie auf die Lokalisierung des Zuliefererportfolios für alle Kernkomponenten der Elektrofahrzeugflotte, um wirtschaftliche und geopolitische Risiken zu reduzieren.

Digitalisierung der Versorgung

Wir arbeiten konsequent daran, eine komplett digitalisierte Lieferkette umzusetzen. Sie soll uns dabei unterstützen, die Versorgung abzusichern und konzernweit Synergien zu heben, um eine führende Position bei Kosten- und Innovationen zu erreichen. Dafür schaffen wir eine gemeinsame Datenbasis und nutzen innovative Technologien, die eine effiziente, vernetzte Zusammenarbeit in Echtzeit ermöglichen – im Konzern wie auch mit unseren Partnern. Mit der Funktionalbereichsstrategie im Bereich der Beschaffung sollen Transaktionen mit unseren Lieferanten zukünftig standardisiert und wo möglich automatisiert werden, um nicht nur Transaktionskosten zu reduzieren, sondern auch Geschäftsprozesse zu beschleunigen. Mögliche Versorgungsrisiken können automatisiert gemeldet werden, um Maßnahmen und Alternativen gemeinsam schneller zu identifizieren. Im Jahr 2018 wurde mit der Digitalisierungsstrategie der Konzern-Beschaffung der Grundstein für die Zukunft der Beschaffung gelegt. Mit dieser Strategie sollen nicht nur die Schwächen der IT-Systemlandschaft der Beschaffung behoben, sondern auch Effektivität, Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Organisation gesteigert werden.

Struktur der wichtigsten Beschaffungsmärkte

Unsere Beschaffung ist global organisiert und in den wichtigen Märkten weltweit präsent. Dadurch können wir sowohl Produktionsmaterial und Sachinvestitionen als auch Dienstleistungen weltweit in der geforderten Qualität und zu bestmöglichen Konditionen beschaffen. Aufgrund der Vernetzung der Beschaffungsorganisationen der Marken sind wir in der Lage, konzernweit Synergien auf den verschiedenen Beschaffungsmärkten zu heben.

Der Volkswagen Konzern betreibt, zusätzlich zu den Beschaffungseinheiten der Marken, acht Regionalbüros: In Wachstumsmärkten ermitteln und qualifizieren wir lokale Lieferanten, um Kostenvorteile für alle Produktionsstandorte im Konzern zu realisieren. Dabei rücken auch Start-ups und Softwarelieferanten in den Fokus. In bekannten und etablierten Märkten unterstützen die Regionalbüros den Zugang zu neuesten Technologien und Innovationen.

Kaufteile- und Lieferantenmanagement

Das heutige Lieferantenportfolio zeichnet sich durch globale Verteilung, Segmentierung und Diversifikation aus. Den damit verbundenen Herausforderungen stellen wir uns, indem wir die Industrialisierung der Lieferanten durch das Lieferantenmanagement der Beschaffung begleiten und überwachen. Dies beginnt bereits beim Auditieren und Bewerten von Lieferanten in Vorbereitung auf den Nominierungsprozess, gefolgt vom Überwachen des Reifegrads der Industrialisierung der Kaufteile bis hin zur vollständigen Abnahme und Bestätigung der benötigten Produktionskapazitäten an den jeweiligen Lieferantenstandorten. Die Komplexität der Bauteile erfordert dabei eine regelmäßige Kontrolle der Fertigungsprozesse, um mögliche Störfaktoren frühzeitig zu identifizieren und notwendige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die enge Zusammenarbeit mit der Qualitätssicherung der Produktionsstandorte ist ausschlaggebend für eine stabile Anlauf- und Serienversorgung mit Kaufteilen für unsere Fahrzeugprojekte. Insbesondere die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass das weltweite Netzwerk des Lieferantenmanagements zuverlässig funktioniert hat und die Versorgung der Fahrzeug- und Komponentenwerke über das Berichtsjahr hinweg weitestgehend sichergestellt werden konnte. Engpässe beziehungsweise Versorgungsabrisse ergaben sich weltweit pandemiebedingt aus Mobilitätseinschränkungen bis hin zu Grenzschließungen.

Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen

Grundlage erfolgreicher Geschäftsbeziehungen mit unseren Geschäftspartnern bilden die Beachtung der Menschenrechte sowie Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards, ein aktiver Umweltschutz und die Korruptionsbekämpfung. Diese Nachhaltigkeitsstandards sind in den vertraglich verbindlichen „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern (Code of Conduct für Geschäftspartner)“ definiert. Gleichzeitig ist dort die Erwartung formuliert, diese ihrerseits an ihre Lieferanten weiterzugeben. Das Einhalten der Anforderungen wird von uns überprüft und ist seit 2019 ausdrücklich vergaberelevant.

In unserem 2019 eingeführten und 2020 ausgebauten Nachhaltigkeitsrating ermitteln wir die Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten mithilfe von Selbstauskünften und Vor-Ort-Überprüfungen. Bis zum Ende des Berichtsjahres lagen uns 13.041 Ratings für Lieferanten vor, deren Auftragsvolumen einem Anteil von 76 % am Gesamtvolumen entspricht. Sowohl die Validierung des Fragebogens Self-Assessment-Questionnaire als auch die Durchführung der Vor-Ort-Überprüfungen erfolgt durch ausgewählte Dienstleister. An Lieferanten, bei denen wir eine mangelhafte Umsetzung oder Verstöße feststellen, wird in der Regel kein Auftrag vergeben. Die Verknüpfung von Vergabeentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien ist einer der stärksten Hebel, um diese durchzusetzen. Auf bestehende Nachhaltigkeitsrisiken und -verstöße, auch in der vorgelagerten Lieferkette, reagieren wir mit der systematischen Durchführung von Maßnahmen. Dazu gehören je nach Schwere etwa die Aufnahme von Spezifikationen und Maßnahmen in die Lastenhefte der Lieferanten. Trotz der Widrigkeiten durch die Covid-19-Pandemie haben wir die Fort- und Weiterbildung der Lieferanten weiterhin fokussiert: Im Geschäftsjahr 2020 haben über 12 Tsd. Lieferanten das Qualifizierungsangebot wahrgenommen.

Der Schwerpunkt unserer Aktivitäten lag 2020 auf den Themengebieten Dekarbonisierung, Achtung der Menschenrechte und verantwortungsvoller Rohstoffbezug.

Im Bereich Dekarbonisierung verfolgt der Volkswagen Konzern das Ziel, kontinuierlich über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder zu vermeiden. Der Wandel des Konzerns zum Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen, insbesondere der Trend hin zur Elektromobilität, verschiebt den Handlungsbedarf von der Nutzungsphase in die Lieferkette und Herstellung von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und bekennen uns zum Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. So haben wir die Nutzung regenerativer Energie bei Batterielieferanten im Lastenheft verankert.

Zur Achtung der Menschenrechte in unseren Lieferketten orientieren wir uns an internationalen Abkommen und Rahmenwerken, wie sie in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie den Leitsätzen und Übereinkommen der OECD gefordert sind. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir 2020 ein Human-Rights-Due-Diligence-Managementsystem auf den Weg gebracht, mithilfe dessen die Menschenrechtsrisiken in unserer Lieferkette transparent gemacht und reduziert werden sollen. Zur wirksamen Bearbeitung der teilweise umfangreichen Risiken in den Rohstofflieferketten wurde ein zusätzliches Managementsystem eingerichtet. Dieses konkretisiert die Priorisierung und Bearbeitung der von uns als besonders risikoreich eingestuften Rohstofflieferketten. Hierbei konzentrieren wir uns aktuell auf 16 Rohstoffe. Ein Meilenstein für die Gestaltung des verantwortungsvollen Rohstoffbezugs war die Aufnahme zusätzlicher Transparenzanforderungen für unsere Batterielieferanten im Jahr 2020. Im Zuge dieser Anforderung verlangen wir zum Beispiel die Offenlegung der gesamten vorgelagerten Lieferkette von unseren Batterielieferanten für Neuvergaben ab dem Geschäftsjahr 2020.